Das Blöken der Belämmerten

 

 

Über die Dilemmata des SPIEGEL

Worauf kann man noch hoffen, wenn selbst die Redaktion des SPIEGEL nicht mehr weiß, wie sie ihre Arbeit machen soll? Im Heft 30/2025 bekennt Dirk Kurbjuweit, der Chefredakteur, er sei ratlos: wie man auch berichte, immer bestehe die Gefahr, die AfD zu stärken.

 

Früher, als der SPIEGEL noch von Männern gemacht wurde, wäre niemand auf die Idee gekommen, Ratlosigkeit zuzugeben und diese zur Begründung einer Debatte zu machen. Wer es in die Redaktion des Nachrichtenmagazins schaffte, hatte ausgesorgt. Der SPIEGEL war damals ein zynisches Blatt, dessen anonyme Mitarbeiter dem Rest der Republik die Richtung vorgaben.

 

Die Herren vom SPIEGEL gehörten zu den Mächtigen, bezogen ihre Macht aber aus dem Abstand, den sie zu den Politikern hielten. So definierten sie Pressefreiheit. Zitate aus geheimen Papieren, Äußerungen von vertraulichen Sitzungen suggerierten Durchblick.

 

Inzwischen outen sich die Autorinnen und Autoren. Sie werden ansprechbar, haben aber die Aura des Geheimwissens verloren. Sie sehen sich als Teil der Parteiendemokratie und leiden mit ihr, weil sie die Welt der Lobbyisten, der Korrupten, der Postenjäger und politischen Glücksritter für die liberale Demokratie halten.

 

Die etablierten Parteien setzen sich nicht inhaltlich mit der AfD auseinander, sondern schließen sie per Geschäftsordnung, Verfahrenstricks und Verbotsanträgen von der Macht aus. Die Leute vom SPIEGEL wirken hinter den Kulissen mit. Das Publikum merkt das und entzieht nicht nur den Politikern, sondern auch den Journalisten das Vertrauen.

 

Der SPIEGEL war nie das Sturmgeschütz der Demokratie, als das ihn sein Erfinder Rudolf Augstein inszenierte, während er gleichzeitig Nazis die Möglichkeit bot, in seinem anonymen Autorenheer unterzutauchen. Aber nie hätte er überlegt, seiner Leserschaft die Welt mit Geschichten über Gelungenes erträglicher zu machen. Wer das tut, ist näher bei der Bäckerblume als er sich eingesteht.

 

Menschen sind an Fakten interessiert. Sie glauben nur nicht mehr, dass der SPIEGEL und all die anderen Medien Fakten liefern. Statt zu überlegen, ob die Wahrheit zumutbar ist, könnte sich die Redaktion an Rudolf Augstein halten, der feststellte, Journalisten müssten sagen, was ist.

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