Die Phantasien des Szczpan Twardoch

 

Über rohe Gewalt von und gegen Russen

 

 

Rohe Gewalt kann nur mit roher Gewalt gestoppt werden, erklärt der polnische Schriftsteller Szczepan Twardoch im aktuellen Spiegel. Rohe Gewalt sei die einzige Sprache, die Russland verstehe. Das sei seit Iwan dem Schrecklichen bekannt. Twardoch hat einen packenden Roman über den Krieg in der Ukraine geschrieben. Darin schildert er, wie dieser Krieg auch die Verteidiger der Freiheit moralisch deformiert. 

 

Mir war nicht klar, wie weit sich Twardoch mit seinen Figuren gemein macht. Ich suchte und fand Formulierungen, die Distanz zu den Kämpfern zeigten. Der Autor wisse, wie (selbst)zerstörerisch Russenhass und Frauenverachtung sind, dachte ich. Jetzt bin ich nicht mehr so sicher, ob Twardoch begreift, was er schreibt.

 

Als Deutscher, dessen Vater im Zweiten Weltkrieg Berufssoldat war, sehe ich manches anders als der polnische Schriftsteller. Hätte die Wehrmacht den Krieg gewonnen, wäre Twardoch vielleicht ein Handlanger auf meinem Gut – einem Geschenk des Führers an meinen Vater. Polen und Russen galten im Nazi-Deutschland als minderwertig und sollten nur so viel lernen, wie sie brauchten, um als Knechte effektiv ausgebeutet zu werden. Deutsche zogen noch vor 85 Jahren mordend, brandschatzend und vergewaltigend Richtung Moskau. Gegen Russland und seine Bewohner*innen (zu denen auch die Ukrainer*innen gehörten), war damals alles erlaubt.

 

Russen haben die rohe Gewalt weder erfunden noch gepachtet. Als Deutscher vergesse ich das nicht. Ich habe keinen Grund, das Putin-Regime, seine Söldner und seine nordkoreanischen Helfer zu entschuldigen. Wie Stalin und zuvor die Zaren, opfert auch Putin seine Untergebenen, zu denen er auch die Ukrainer*innen zählt: ihr Leben ist ihm nicht viel Wert.

 

Es ist aber sinnlos, die Geschichte der Gewalt fortzuschreiben. Wir müssen sie unterbrechen. Durch die Decke gehende Kurse der Rüstungsfirmen sind keine gute Nachricht. Und Väter, die öffentlich darüber räsonieren, ihre Söhne an die Front zu schicken, machen mich ratlos.

 

Wie durchbrechen wir die Logik des Krieges? Es gehört nicht viel Phantasie zu der Annahme, dass wir Opfer der im Krieg entfesselten rohen Gewalt werden, wenn wir keine Antwort auf diese Frage finden.

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