PR leicht gemacht

 

Ansprache. Verzeichnis verbotener Worte

 

Werbende Texte gelingen leicht, wenn Sie die richtigen Begriffe verwenden. Mit der Zutatenliste von möbel und texte können Sie Ihre PR-Sauce selbst zusammenrühren.

 

So steht´s im Prospekt:

Originaltext Hotel eins. Starten Sie direkt vom Hotel aus Ihre Entdeckungstour in der Welterbestadt Quedlinburg mit den bunten Fachwerkhäusern und verwinkelten Gassen. Unsere 31 komfortabel eingerichteten Doppel- und Einzelzimmer laden zum Verweilen und Wohlfühlen ein. Stärken Sie sich am Morgen mit unserem reichhaltigen Verwöhnfrühstück.

Originaltext Hotel zwei. Ein reetgedecktes Fachwerkhaus, unser gemütliches Restaurant in einer historischen Scheune, umsäumt von jahrhunderte alten Eichen laden zu einem Besuch ein. Die hellen Ferienwohungen und die großzügigen, liebevoll gestalteten Zimmer laden dazu ein, die Seele baumeln zu lassen.


 

Das eine Hotel bietet Urlaubern und Handwerkern einen preiswerten Aufenthalt. Wer günstig unterkommen will oder muss, „kommt hier voll auf seine Kosten“, wie es im Prospektdeutsch so gerne heißt. Das andere will mehr. Und bietet es auch. Nur merkt man es nicht. Wie kommt das? Ein Grund könnte sein, dass die Agenturen gar nicht recherchieren, für welches Hotel sie ihre Texte schreiben. Sie nehmen einfach die Begriffe, die alle gebrauchen. Da können sie nichts falsch machen. Die Praxis gibt ihnen recht.

 

 

akribisch

passt zu Fußballtrainern, Handwerkern und Sommeliers. Zu allen tätigen Menschen also. Aber wer möchte wirklich als akribisch verschrieen sein? Ein Beiwort für Korinthenkacker.

 

am Ende des Tages

War vor ein paar Jahren die angesagte Floskel. Ihr Zeitfenster scheint zumindest vorläufig geschlossen zu sein.

 

ausgesucht

meist Weine und Zutaten. Soll Exklusivität bedeuten, bezeichnet aber das Normale: irgendwer wird das Zeug wohl ausgesucht haben. Es wäre interessant zu erfahren, wer was nach welchen Kriterien ausgewählt hat. Das erfährt man selten.

 

edel

Holsten edel heißt mein Mädel, rülpsten die Besoffenen auf der Reeperbahn früher. Das kurze Adjektiv zur Bezeichnung des Besonderen ist von ruchlosen Textern durch übermäßigen Gebrauch auf Prollbier-Niveau herunter gebracht worden.

 

eigen

Im „Tatort" stellt die Komissarin fest, die Verdächtige habe ihren eigenen Vater ermordert. Ich habe das mit eigenen Augen gesehen und mir meine eigenen Gedanken gemacht. Die Anzeige eines Besitzverhältnisses mit eigen ist in den meisten Fällen unschön und falsch. Und manchmal unfreiwillig komisch. „Der Stürmer streckt sein eigenes rechtes Bein aus, um den Ball zu erreichen," berichtete ein Sportreporter und bewies damit ein ganz eigenes Sprachgefühl. Den zunehmenden Gebrauch von„ eigen" finde ich eigenartig. Ich werde meine eigene Ausdrucksweise beibehalten, also auf „eigen" verzichten. Wie kommt das „eigen" in die Sprache? Wirken Medien als Beschleuniger? Handelt es sich um eine Lehnübersetzung aus dem Englischen? Machen Sie sich ihren Reim darauf. Wenn Sie wollen, Ihren ganz eigenen.

 

freundlich

„Unsere freundlichen Zimmer sind komfortabel und gemütlich eingerichtet." Die unfreundlichen sind dagegen spartanisch und ungemütlich.

 

frisch

in der Gastronomie gern auch „marktfrisch“. Heißt viel zu oft: gerade aus der Großpackung geholt.

 

für Sie

„Unser Bäcker backt für Sie". „Unser Zug hält für Sie." Und zwar nur für Sie. Doch welche Bäckerei backt noch selbst? Und bei der Bahn merken Sie spätestens auf dem überfüllten Bahnsteig, dass Sie kein exklusives Angebot nutzen. Je anonymer das Angebot, desto aufdringlicher die Reklame. Halten Sie Abstand, wenn Sie vereinnahmt werden sollen. Diese Firmen wollen nur Ihr Bestes: Ihr Geld. 

 

ganz

lieber gar nicht. Im NDR Fernsehen begann eine Reportage mit dem Satz. „Jetzt haben die Wirte alle Hände voll zu tun, bis die ganzen Touristen kommen." Kaum auszudenken wie der Stress steigt, wenn anschließend die Halben kommen.

 

gemütlich

gehört auf den Index. Wie die verwinkelten Gassen, die herrlichen Landschaften und die verträumten Winkel.

 

genießen

auf eine eingängige Formel gebracht: je näher das Niveau der Gaststätte dem einer Pommesbude kommt, desto offensiver die Aufforderung der Aushilfskraft, die für den Service verantwortlich ist: Genießen Sie es! 

 

individuell

gibt der 08/15-Ausstattung der Hotelketten die persönliche Note.

 

handgemacht

geht als Alternative zu unplugged  bei der Beschreibung von Musik. Worin der Wert handgemachter Schokolade liegen soll, erschließt sich mir nicht.

 

hausgemacht

die Petersilie auf der Mayonnaise aus dem 5-Liter-Eimer

 

mit Herzblut gemacht

also ungenießbar

 

Liebe

„Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und meinen Leib dahingäbe, mich zu rühmen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir ’s nichts nütze“, schrieb Paulus den Korinthern. Schöner geht es nicht. Schreiben Sie über die Zutaten, mit denen Sie kochen oder backen. Lassen Sie die Liebe aus dem Spiel.

 

liebevoll

Liebevoll gestaltete Zimmer laden dazu ein, die Seele baumeln zu lassen. Ein Satz aus einem Prospekt. So hart ist das wirkliche Leben. Nebenbei: amor ist die Liebe. Wer etwas aus Liebe oder liebevoll tut, ist ein Amateur. Sie sind Profi, oder?

 

ORIGINALTEXT

Es ist uns eine Freude, Sie hier im Herzen der Schweiz mit regionalen, wie internationalen Gerichten zu verwöhnen. Genießen Sie den Blick auf See und Berge. Lassen Sie sich vom Wind, den Surfern und der Sonne in Ferienstimmung bringen. Probieren Sie einen unserer Weine! Schlemmen Sie sich durch verschiedene Köstlichkeiten unserer Speisekarte oder genießen Sie einen feinen Drink in unserer Beachbar.

 

Lösung/Lösungen

Vor allem Handwerker versprechen Lösungen. Hat was von „jetzt wird aufgeräumt", unwillkürlich fällt mir die „Endlösung der Dudenfrage" der „Hooligans gegen Satzbau" ein.

 

Manufaktur

handgeschöpfte Schokolade: man sieht förmlich das Schwarze unter den Fingernägeln

 

Oase

Hot-Spot in der Konsumwüste. Die „Wohlfühloase" ist eine Komfortzone, die gern verlässt, wem unwohl wird, wenn man ihm zu nah auf die Pelle rückt.

 

passgenau

passt, wackelt und hat Luft. So soll es sein, ist also nicht der Erwähnung wert.

 

plaudern

klingt nicht nur altbacken, sondern auch nach miteinander reden zum Zeitvertreib. Dafür wären mir meine Gedanken zu schade.

 

pur

Erholung pur, Lebensfreude pur, Genuss pur, Natur pur: die reine Übertreibung, so abgegriffen wie die Musik von PUR. Und genauso verlogen. Pur „geht gar nicht". Ultimativ.

 

regional

Alles, was die nächstgelegene METRO bietet. Wenn der „marktfrische“ grüne Spargel aus Peru kommt, sind dann Kartoffeln aus Ägypten noch regional?

 

ORIGINALTEXT

Regionale Naturküche im Rhythmus der Jahreszeiten.  In unserem Restaurant, mit herrlich sonniger Terrasse und Kamin, wartet auf Sie eine deutsche und regionale Naturküche im Rhythmus der Jahreszeiten, dazu ausgesuchter Winzerwein und moderne Getränke. Unsere Jahreszeitenküche kreiert nach dem Motto „Land - schafft - Qualität“ regionale, frische, sowie moderne Spezialitäten.

 

reichhaltig

Die Ackerbürgerei in Lassan hatte lange Zeit ein außerordentliches Frühstück. Das Brot selbstgebacken, die Marmelade selbstgemacht, Käse und Wurst von einem Biohof in der Nachbarschaft. Alles erstklassig. Aber sehr viele Gäste monierten die mangelnde Auswahl. Inzwischen ist es dieselbe wie überall. Die Gäste sind´s zufrieden, jetzt können sie zwischen verschiedenen Marmeladen,  Käsen und Würsten wählen - more of the same.  Verglichen mit anderen reichhaltigen Frühstücksbuffets kann sich das in der Ackerbürgerei dennoch sehen lassen.

 

schlemmen

Soll nach Schlaraffenland klingen, erinnert aber an das „Große Fressen“. Kochen Sie wirklich für Gourmands? Dann müssen die Portionen größer und die Preise niedriger werden. 

 

schmökern 

Wer schmökert, schmust wahrscheinlich auch...

 

Seele baumeln lassen

Wenn Tucholsky gewusst hätte, was er mit diesem schönen Bild anrichtet.

 

stöbern

Da ich keine Flohmärkte mag, steht „stöbern" auf meinem ganz eigenen Index. Diese Entscheidung muss nicht jede und jeder verstehen. Eine Geschmacksfrage, wie so oft. 

 

unterwegs sein

Manch einer ist in PR-Projekten unterwegs. Die Floskel wird am Ende des Tages hinter dem Horizont verschwunden sein. So lange sie unterwegs ist, ins Reich des Vergessens, nervt sie allerdings gewaltig.

 

verweilen

Jetzt kommt´s faustdick: „Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen, Dann will ich gern zugrunde gehn!“ So sprach Goethes Faust. Tun Sie es ihm nach, wenn ein gemütliches Zimmer Sie zum Verweilen einlädt.

 

verwinkelt

siehe „gemütlich“

 

verwöhnen

„Womit kann ich Sie sonst noch verwöhnen?“, fragte die Bäckereifachverkäuferin und errötete, als sie die Antwort vernahm.

 

Verwöhnfrühstück

Wohlfühlbad, Schmusedecke und alle weiteren Verbindungen von gefühligen, Gänsehaut verursachenden Beiwörtern mit Gegenständen, Vorgängen oder Orten sind verboten. Wer darüber räsoniert, wird unverzüglich füsiliert.

 

vor Ort

Dazu Axel Hacke: „ »Vor Ort«, das geht nicht, hätte mein Lehrer in der Journalistenschule gesagt, das sei Bergmannssprache, der »Ort« sei die Stelle, bis zu der man sich im Stollen vorgearbeitet habe, »vor Ort« gehöre unter die Erde, da solle es bleiben. »Bundespräsident« und »vor Ort« in einem Satz bitte nur, wenn der erste Mann im Staat ein Bergwerk besichtige! Bis heute habe ich nie wieder »vor Ort« geschrieben. Ist aber nur eine Marotte von mir." Inzwischen ist die Floskel unausrottbar im Sprachgebrauch verwurzelt.

 

zeitnah

Kein Problem, hätte Goethe gedichtet: „ Warte nur, zeitnah ruhest du auch." Hat er aber nicht.

 

Zeitfenster

Zeit, es zu schließen

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Inge Averdunk (Freitag, 29 März 2024 12:41)

    Habe ich gerne gelesen, so viel Lust an der Sprache (wenn man das sagen darf...) Zu Axel Hacke: Kennst Du den Artikel in der ZEIT über "Heiterkeit" und das Buch dazu? Der Artikel ist prima, das Buch ein wenig langatmig.