Die Dilemmata des SPIEGEL

 

 

Über Schwierigkeiten mit der Wahrheit

SPIEGEL-Chef Dirk Kurbjuweit sorgt sich, die Berichterstattung des SPIEGEL könne der AfD in die Hände spielen. Er fragt: Was tun? Hier eine Antwort:

 

Wer wissen will, wie viele Menschen an Long-Covid leiden, ist auf Schätzungen angewiesen. Statistiken existierten nicht, erklärte die Bundesregierung. Sie geht von einer sechsstelligen Zahl aus. (Antwort 20/13503 der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/12909) der AfD-Fraktion).

 

Im Spiegel 30/2025 sprach Karl Lauterbach von 650.000 Erkrankten. Das wäre eine hohe sechsstellige Zahl. Ist sie realistisch? Zum Vergleich: die Zahl der Parkinsonpatienten liegt bei 500.000.

 

Von Anfang an gab es kein Interesse an verlässlichen Zahlen. Wir wissen wir nicht einmal, wie viele Menschenleben das Corona-Virus forderte. Die offizielle Zahl von 180.000 Corona-Toten innerhalb von vier Jahren umfasst auch Menschen, die sich mit Corona infizierten, aber an Herzversagen, Krebs und anderen Krankheiten starben. Die reale Zahl von Corona-Toten liegt viel niedriger. Man könnte das für eine gute Nachricht halten.

 

Aber eine Entwarnung war politisch nicht gewollt. Die Bewertung der Pandemie war und ist interessengeleitet. Kritik an den Maßnahmen war und ist nicht erwünscht. In Deutschland überließ man sie der AfD.

 

Auch die Impfung von 65 Millionen Deutschen wurde nicht systematisch wissenschaftlich begleitet. Gesundheitsminister Karl Lauterbach pries die Impfung als „frei von Nebenwirkungen“. Eine Lüge, wie man damals schon wissen konnte, denn jeder weiß: Keine Wirkung ohne Nebenwirkung.

 

In ihrer Antwort an die AfD erwähnt die Bundesregierung Modellprojekte zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Long-Covid. Auch Beschwerden im zeitlichen Zusammenhang mit einer Covid-19-Impfung könnten Forschungsgegenstand sein.Es gibt noch Wissenschaftler, die sich nicht für politische Ziele einspannen lassen. Das ist die gute Nachricht.

 

Die schlechte ist das anhaltende Desinteresse an Fakten in den Redaktionen. Im SPIEGEL 30/2025 kann Karl Lauterbach freihändig mit Zahlen und Rechtfertigungen jonglieren und seinen Gegnern Ahnungslosigkeit unterstellen, ohne dass seine Gesprächspartner nachhaken. Der Leserschaft geht es womöglich wie mir. Ich wende mich ab und denke an den SPIEGEL-Gründer Rudolf Augstein, der forderte, der SPIEGEL müsse sagen, was ist.

 

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