Vom Ich zum Wir

Über den Mut zum Pazifismus

 

Der erstaunlichste Rat, den mir Freundinnen und Freunde während der Corona-Pandemie gaben, lautete: Vertraue der Regierung. Ich sollte aufhören, immer alles kritisch zu sehen und einfach mal annehmen, die Regierung wisse, was gut und im Sinne der Allgemeinheit sei.

Die das sagten, waren erfahrene Menschen. Ich kannte sie als Aktivisten in Friedensgruppen und Anti-AKW-Initiativen in den 80er Jahren. Damals kämpften wir für Abrüstung und für Bürgerrechte. Wir wehrten uns gegen den Bau von Atomkraftwerken, weil diese Form der Energiegewinnung nicht nur die Gesundheit von Menschen bedrohte, sondern auch die Demokratie.  Die Gefahr radioaktiver Verstrahlungen erfordert nun mal einen kontrollierenden, möglichst allwissenden Staat, den Atomstaat.

Wir verhinderten ihn nicht. Die Regierungen verfügen heute über Möglichkeiten zur Kontrolle ihrer Bürger, die wir uns damals nicht ausmalen konnten. Wir Älteren haben uns mehr oder weniger schweren Herzens damit abgefunden. Die meisten jungen Menschen halten das Verschwinden der Privatsphäre für selbstverständlich. Staatliche Macht ängstigt sie nicht mehr.

Doch vor drei Jahren verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz eine Zeitenwende. Russland bedrohe unsere Freiheit, heißt es jetzt. Putin begnüge sich nicht mit der Ukraine, sondern wolle auch die baltischen Staaten unter seine Fuchtel bekommen. Um das zu verhindern, solle Deutschland bis 2029 kriegstüchtig sein. Seitdem ist Schluss mit lustig und liberal. Der Staat nimmt sich wieder das Recht, junge Männer zum Kriegsdienst zu zwingen.

Da meldete sich vor ein paar Wochen Ole Nymoen in der ZEIT und erklärte: Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde. Mir gefiel der Artikel, und ich kaufte mir das gerade erschienene Buch gleichen Titels. Einen so klar und überzeugend für Pazifismus argumentierenden Text habe ich noch nie gelesen.

Eine demokratische Regierung verlangt kein Vertrauen, sondern Kontrolle und konstruktive Kritik. Ein kriegstüchtiger Staat verlangt Gehorsam und erzwingt ihn zu Not. Auf gerade mal 130 Seiten klärt Nymoen so ziemlich alle Fragen zur Kriegsdienstverweigerung. Hier spricht kein Egoist, sondern ein Mann, der weiß, warum es wichtig ist, ich zu sagen, wenn alle wir sagen; ein Pazifist, der Militaristen alt aussehen lässt, und der erklärt, warum wir Menschen brauchen, die mit uns solidarisch sind, wenn wir allein dastehen.

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Inge Averdunk (Freitag, 14 März 2025 16:21)

    Statt lustig und liberal kriegslistig überall.