Fragen zum alltäglichen Krieg.
Wird es Krieg geben? fragte mich Zohra, die meine Tochter sein könnte, an einem Abend im November 2024. Wir saßen in einer Bar im Hochbunker am Heiligengeistfeld, hinter dessen meterdicken Mauern im Zweiten Weltkrieg bis zu 25.000 Volksgenossen und -genossinnen Schutz vor amerikanischen und britischen Bomben suchten. An jenem Abend in der Bunkerbar drückte ich mich vor der Antwort. Ach Zohra, dachte ich, sind wir nicht längst mittendrin?
Spätestens seit Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar 2022 eine Zeitenwende ausrief, befindet sich Deutschland auf Kriegskurs. Geld zur Aufrüstung des Staates auf allen Ebenen scheint in rauen Mengen vorhanden zu sein. Es sieht so aus, als halte die Mehrheit der Bürger die militärische Verteidigung Deutschlands für eine realistische Option.
Wissen deine Eltern, dass du hier bist? möchte ich die junge Frau, die in Dortmund auf den ICE wartet, am liebsten fragen. Mit ihrem puppenhaften Gesicht und den grell geschminkten Lippen wirkt sie wie 16. Aber sie muss älter sein, denn sie trägt Uniform. Sie sei 19 und habe vor, langfristig bei der Bundeswehr zu bleiben: Einer muss es ja machen.
Was weiß diese junge Frau über den Krieg und das Handwerk des Tötens? Was wissen diejenigen, die Pazifismus für naiv halten, über die Konflikte, die sie dieser Frau zumuten? Was wird aus ihr, die gedrillt wird, auf Kommando still zu stehen, die Augen rechts, links, gerade aus, im Gleichschritt zu marschieren, sich ein- und unterzuordnen? Die lernt, Menschen kalt zu machen.
In Tarnfarben gewandete junge Leute mit ihren riesigen Tornistern bevölkern am Sonntagabend die Fernzüge. So wie früher im Kalten Krieg. Ich erinnere mich an einen Fernsehbeitrag über ein öffentliches Gelöbnis. Wir beobachteten die jungen Leute, die gut gelaunt in bunter Sommerkleidung an der Kaserne ankamen. Noch schnell ein Kuss, eine flüchtige Umarmung, dann verschwanden die jungen Männer lachend und winkend, um wenig später grau in grau im Gleichschritt an uns vorbeizumarschieren. Was mich entsetzte, begeisterte die Bräute, Geschwister und Eltern.
Bis 1989 lautete das Dogma, die Bundesrepublik sei nur um den Preis ihrer Vernichtung zu verteidigen. Die Soldaten, mit denen ich damals sprach, sahen ihre Aufgabe darin, nie einen Schuss abzugeben. Jetzt bereitet sich die Bundeswehr auf Landesverteidigung vor.
Jeder Tote sei einer zu viel, argumentierten Politiker während der Corona Pandemie. Gilt das auch im Krieg?
Im Internet finde ich die Empfehlung, einen Notfallrucksack zu packen. Hinein gehören persönliche Medikamente, Erste-Hilfe-Material, batteriebetriebenes Radio, Reservebatterien, Dokumentenmappe, Verpflegung für zwei Tage in staubdichter Verpackung, Wasserflasche, Essgeschirr und -besteck, Dosenöffner und Taschenmesser. Ich wüsste gern, wie es am dritten Tag weitergeht.
Die Bundeswehr wirbt in U- und S-Bahnhöfen, als sei Soldat ein Beruf wie jeder andere: Chancengerechtigkeit, Vielfalt und Inklusion sind Bestandteile der Bundeswehr und gewinnen durch die Diversifzierung der Gesellschaft zunehmend an Bedeutung für die Personalgewinnung, aber auch für die gesellschaftliche Integration der Bundeswehr.
Reden so Krieger:innen, die bereit sind, für Deutschland zu töten und zu sterben?
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