Aus meinem Archiv. Text vom 20. Januar 2021
Nicht, dass aus uns nichts geworden wäre. Nicht, dass wir unseren Vettern und Cousinen, den inzwischen wirklich alt aussehnenden Alt-68ern nichts verdankten. Jetzt ist Schluss mit lustig.
Wir, das sind die immer einen Schritt später am Ort der Entscheidung Aufgetauchten. Die zur Werbung kamen, als die Honorarkassen geplündert waren. Wir sind die, die in den Funkhäusern auf eine satte, nicht besonders engagierte Generation von Journalisten traf. Wir sind die, die bei Bilanzpressekonferenzen kein Drei-Gänge-Menü mehr serviert bekommen.
Weil Redakteurinnen und Redakteure massenhaft auf den letzten Drücker auf Festeinstellung klagten, mussten wir die Futterkrippen nach 15 Jahren verlassen. Kein Grund zur Klage: mir ging es anschließend gut.
Einer von uns, der es in die katholische Doppelspitze einer Lifestyle-Wochenzeitung schaffte, wollte uns das Etikett 78er anheften. Aber es gelang nicht mehr. Die Etikettierungen von Lebensphasen oder Generationen hat sich erledigt. Jeder und jede ist inzwischen sein oder ihr eigener Fußball*in. Schon vor dem Ersten Weltkrieg machten sich die Dadaisten mit der Forderung „Jeder sein eigener Fußball“ über den Zwang zur Selbstinszenierung lustig.
Fußball, liebe Kinder, ist ein Sport, der bis vor kurzem noch draußen ausgeübt wurde und heute nur noch von Profis vor Fernsehkameras gespielt wird. Alles muss man inzwischen erklären. Seit einem Jahr steht das Leben für einen großen Teil der Bevölkerung still.
Jetzt verstopfen die 68-er keine Karrierewege mehr. Sie blockieren Betten auf Intensivstationen. Wenn sie nicht noch faul in Marokko oder auf Fuerteventura in der Sonne hocken. Sie haben ja noch die dicken Renten, für die jetzt diejenigen aufkommen müssen (wir tun es so gern wir können), denen sie die Honorare kürzten.
Jetzt steht noch mal eine Generation still, nicht vor Bewunderung, sondern weil sie nicht gefragt wird. Kindergärten, Schulen, Ausbildungsstätten und Universitäten schalten auf den Online-Modus um. Mehr oder weniger allein gelassen vertun Kinder und Jugendliche ihre Zeit.
Nachdenkliche unter ihnen wissen nicht, wohin mit ihren Zweifeln. Zu den Parteien? Zu den Gewerkschaften (sind wahrscheinlich längst off-line) oder zu den Kirchen (entdecken den Wert des Beamtentums)? Die Jungen wissen nicht, was man ihnen noch zumuten wird.
Unternehmen und Behörden testen bei dieser Gelegenheit, welche ins Home-Office verlegten Arbeitsplätze sie künftig in den Off-Modus versetzen können. Familien schlagen sich mit Kurzarbeitergeld durch.
Wenn man mit gut situierten jüngeren und älteren Menschen spricht, hört man das Loblied auf den Lockdown. Endlich haben sie Zeit, Musik zu machen oder ein gutes Buch zu lesen. Kein Gedanke an den Zukunftsklau an der jungen Generation.
Ich erwarte nicht, dass die Alten die Sachen packen und sich vom Acker machen. Ich bin kein Rechter geworden. Ich verlange von den Alten Vorschläge zur Verteilung der Lasten. Wisst Ihr noch? Paris 1968. Phantasie an die Macht. Ist von Euch. Nun geht schon endlich: Raus auf die Straßen. Zeigt den jungen Leuten, wie man vom Protest zum Widerstand kommt.
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